Ein in der Praxis üblicher Bauträgervertrag sieht verschiedene Zahlungsfristen für die einzelnen Bauabschnitte vor. Eine der wesentlichen Zahlungsfristen ist die sog. Bezugsfertigkeitsrate. Im Rahmen einer solchen Bezugsfertigkeitsrate verpflichtet sich der Bauträger gegen Zahlung von in der Regel 30-38% des Gesamtpreises zur Übergabe/ Besitzverschaffung der Wohnung. Das bedeutet, dass zu diesem Zeitpunkt der Erwerber in die Wohnung einziehen kann, weil diese bezugsfertig und damit nutzbar ist. Dieser Zeitpunkt ist für die Planung der Käufer deshalb so wesentlich, da hier in den meisten Fällen eine Aufgabe der ursprünglichen Wohnung erfolgt und der Kunde verständlicherweise Planungssicherheit haben möchte.
Was passiert jedoch, wenn der Bauträger/Verkäufer die Übergabe der Schlüssel mit der Begründung verweigert, der Kunde solle erst sämtliche Restzahlungen erbringen? De facto sitzt der Kunde auf gepackten Koffern, hat seinen Mietvertrag gekündigt und jetzt die Wahl, für die nächsten Monate im Hotel zu wohnen oder aber selbst in Vorleistung zu gehen.
Diesbezüglich hat das Kammergericht Berlin am 04.10.2017 eine interessante Entscheidung getroffen. Danach besteht in solchen Fällen ein Anwendungsbereich des sogenannten einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen Bauträger, die bezugsfertig hergestellte Wohneinheit dem Erwerber zu übergeben. Das gilt immer dann, wenn zuverlässig feststellbar ist, dass nach dem materiellen Recht ein Anspruch des Erwerbers einredefrei besteht und der Bauträger die Erfüllung unberechtigt verweigert. Im Fall des Kammergerichts war im Rahmen des dortigen Bauträgervertrages geregelt, dass der Erwerber die 2. Rate Zug um Zug gegen Besitzübergabe zu zahlen hatte. Die Abnahme verzögerte sich jedoch um ca. ein Jahr. Es wurden desweiteren Mängel festgestellt und die Abnahme erfolgte unter Vorbehalt der festgestellten Mängel. Der Bauträger teilte dem Erwerber dennoch mit, dass die Schlüssel nur dann übergeben wird, wenn er insgesamt 96,5 % des Kaufpreises und weitere Sonderwünsche bezahlt hat. Vor diesem Hintergrund erhob der Käufer Klage im einstweiligen Rechtsschutz. Das Kammergericht gab ihm Recht:
Verfügungsgrund – zusätzliche Kosten durch anderweitige Unterbringung:
Zunächst sah das Gericht unproblematisch einen Verfügungsanspruch, da der Besitzübergang im Rahmen des Bauträgervertrages klar geregelt war.
Es sah desweiteren einen Verfügungsgrund. Dieser besteht immer dann, wenn ohne die Verfügung die Durchsetzung des Anspruchs gefährdet wäre oder die Verfügung zur Erhaltung des Rechtsfriedens notwendig erscheint. Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt. Das Kammergericht führte hierzu aus, dass es für den Erwerber eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt, wenn ihm die bezugsreif hergestellte Wohnung nicht übergeben wird, denn seine Lebensplanung ist im Zweifel auf den Bezug zum vereinbarten Zeitpunkt ausgerichtet. Durch einen Umzug in eine andere Wohnung, eine Ferienwohnung oder ein Hotel entstünden vor allem zusätzliche Kosten, die mit zunehmenden Zeitablauf für einen Verbraucher beträchtlich sein können. Diese müssten jedoch finanziert werden und für die der Erwerber am Ende der Streitigkeit mit dem Bauträger je nach dessen finanzieller Leistungsfähigkeit möglicherweise keinen Ersatz erhält. Auch die bei unberechtigter Verweigerung des Bauträgers vielleicht bestehende Möglichkeit, den Vertrag mit ihm zu kündigen oder von ihm zurückzutreten, sei aufgrund der finanziellen Auswirkungen eines solchen Schritts und des Aufwands, der durch die Beschaffung einer anderen (Eigentums-) Wohnung verursacht wird, kein adäquater Ausgleich für den Erwerber.
Feststehende Gegenansprüche sind von der fälligen Rate abziehbar
Das Kammergericht führte weiterhin aus, dass von der fälligen Rate feststehende Gegenansprüche abziehbar sind. Das war im dortigen Fall ein Schaden von 10.710,- € für die Miete einer Wohnung und von weiteren 8.324,35 € für Bereitstellungszinsen. Da ein Verzug der Übergabe vorlag, ließ sich der Anspruch auf Ersatz eines Verzugsschadens aus §§ 280, 286 BGB von 10.710,- € + 8.324,35 € = 19.034,35 € unzweifelhaft feststellen. Desweiteren sind unstrittige Mängel/zweifelsfrei feststellbare Mängel abzuziehen.
Aufrechnungsabrede mit unbestrittenen/ rechtskräftigen Gegenforderungen unwirksam
Das Kammergericht wies zudem darauf hin, dass eine im Bauträgervertrag vereinbarte Regelung, dass eine Aufrechnung nur mit unbestrittenen oder rechtskräftigen Gegenforderungen gestattet ist, unwirksam ist, (BGH, Urteil vom 7. April 2011, VII ZR 209/07).
Fazit:
Definieren Sie im Rahmen des Vertrages den Übergabezeitpunkt möglichst genau, um eigene Planungssicherheit zu haben. Wird die Übergabe der Wohnung verweigert, ziehen Sie schnellstmöglich einen Rechtsanwalt zurate.